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Karl Delorme wurde 90 – Herzlichen Glückwunsch!

Posted by SchVVarzer Peter - 25 Januar, 2010

Der am 23. Januar 1920 im Herzen der Mainzer Altstadt geborene Kommunalpolitiker mit Herz und Bürgermeister a. D. feierte am gestrigen Samstag seinen 90. Geburtstag.
Man mag kaum glauben, dass der „Altstadtbub“ mit den charakteristischen dichtschwarzen Augenbrauen sein 90. Lebensjahr vollendet hat – sein Geist scheint jung wie eh und je.

Die politische Laufbahn des gelernten Drucksetzers und aktiven Mitgliedes der katholischen Jugend begann 1957 als Stadtratsmitglied und hauptamtlicher Dezernent. Karl Delorme, den eine enge Freundschaft mit Jockel Fuchs verband, war ein Mann des Volkes, sozial engagiert, in zahlreichen Ehrenämtern tätig, maßgeblich am Wiederaufbau von Mainz beteiligt – vor allem aber ein Mensch, der das Persönliche immer über Paragraphen stellt.

„Mit Paragraphen hatte ich es nicht so, aber ich aber immer gewusst, was ich wollte“

Er hat nicht nur gewusst, was er wollte, er wusste auch stets, was er tat und hatte immer ein Gehör für die Sorgen und Anliegen der Menschen in unserem schönen Mainz.
Er war ein Pragmatiker, ein Mann der kurzen Wege, vorbei am Gestrüpp unsinniger oder für den Bürger kaum verständlicher Verordnungen.

Nur wenige Politiker prägten das Bild des heutigen Mainz so wie Karl Delorme.

Karl Delorme – Biographie

Viele werden sich nun fragen warum ich an dieser Stelle über einen Bürgermeister a. D schreibe, den über die Grenzen von Mainz und Rheinhessen hinaus nur wenige kennen?

Ganz einfach!
Es waren Menschen wie Karl Delorme, die gerade nach dem Krieg viele Kommunen durch unkonventionelles Handeln und Anpacken, vor allem aber Menschlichkeit und einem Ohr für die Anliegen der Bürger prägten. Es waren die „Delorme’s“ dieser Republik, eine aussterbende Spezies, die wir meinen, wenn wir von aufrechten ehrlichen Politikern der Nachkriegszeit sprechen. Es waren Menschen, die noch zuhören konnten und nicht auf unsinnige Paragraphen oder Guidelines verwiesen. Es waren jene Leute, die tatkräftig mit anpackten, das vom Krieg zerstörte Land wieder aufzubauen, ein soziales Netz und eine Demokratie zu schaffen, in der wir uns heute sicher fühlen können, die es zu bewahren und auszubauen gilt. Es waren aufrechte Sozialdemokraten, für die Sozialdemokratie nicht abhängig von einer Parteizugehörigkeit war.

Die Delormes’s dieser Zeit verkörpern genau das, was wir heute bei vielen so schmerzlich vermissen.


Hierzu eine kleine Anekdote zu meiner ersten Begegnung mit Karl Delorme:

Es war Neujahr, der 1. Januar 1961, als ich nachmittags mit meiner Mutter und Bekannten meiner Mutter spazieren ging.
Unterwegs kamen wir an einem Feuermelder (diese roten Kisten, über die man damals die Feuerwehr rufen konnte) vorbei. An jenem Feuermelder fehlte das Glas, welches vor unbefugtem Betätigen des schwarzen Knopfes schützen sollte.
Fasziniert blieb ich davor stehen. Natürlich war mir bekannt, dass man diesen Knopf nicht so einfach drücken durfte, aber irgendwie zog er mich magisch an, er schien förmlich danach zu schreien, von mir, dem kleinen Peterchen, gedrückt zu werden.

Was blieb mir also anderes übrig? 😉

Es dauerte auch nur wenige Sekunden, bis meine Mutter mit Entsetzen feststellen musste, dass ihr Klaus-Peter (so wurde ich immer genannt, wenn ich etwas angestellt hatte) gerade die Feuerwehr „bestellt“ hatte.
Wie damals so üblich, gingen schnell jede Menge Fenster auf, und viele Leute hatten zu den Geschehnissen das Unterschiedlichste zu sagen.
Eines musste man der Feuerwehr lassen – schnell waren sie schon damals. Es vergingen gerade einmal fünf Minuten – bei dem, was meine Mutter und ich uns alles anhören mussten waren es gefühlte 5 Stunden – und schon trafen drei Löschzüge und ein Kommandofahrzeug ein. Die Polizei kam ein wenig später ebenfalls hinzu, ob auch noch die Pfadfinder und Heilsarmee an der Veranstaltung teilnahmen, entzieht sich meiner Kenntnis, zu groß war der Menschenauflauf, um da als 5jähriger Knirps noch durchzublicken. 🙂

Einige Wochen später erhielt meine Mutter einen Brief von der Stadt Mainz.
Wie Ihr Euch denken könnt, war darin weder eine Ehrennadel noch eine Belobigung für das kleine Peterchen, weil er die Sicherheitslücke des defekten Glases aufgedeckt hatte. Nein! Eine Rechung befand sich im Kuvert.

4 Einsatzwagen a 120,– D-Mark – Gesamtsumme 480,– DM
Begründung: verletzte Aufsichtspflicht, bla, bla, bla …

Freunde und Bekannte hatten natürlich, wie immer in solchen Fällen, jede Menge gute Ratschläge für meine Mutter parat. Brief schreiben und darauf verweisen, dass das Glas fehlte, also der Feuermelder nicht richtig gewartet wurde, sich an die Zeitung wenden, einen Anwalt konsultieren und viele weitere „hilfreiche Tipps“ wurden meiner Mutter zuteil.

Meine Mutter, eine kluge und toughe Frau, ignorierte alle gutgemeinten Ratschläge, nahm am nächsten Tag das kleine Peterchen an die Hand (ob das eine erzieherische Maßnahme war, oder sie einfach vermeiden wollte, dass ich alleine zu Hause noch mehr anstellte, entzieht sich meiner Kenntnis) und fuhr mit der „Elektrischen“ – so nannte man damals bei uns die Straßenbahn – schnurstracks zur Stadtverwaltung.

Dort saßen wir dann einem Herrn gegenüber, der trotz markanter, dichtschwarzer Augenbrauen und der für mich unangenehmen Situation, nichts wirklich Bedrohliches an sich hatte – Karl Delorme.

Das Sparschwein, welches ich ihm sofort als Wiedergutmachung anbot, nahm er allerdings erst einmal an sich. 🙂

Meine Mutter schilderte ihm den ganzen Sachverhalt. Ruhig hörte er ihr zu, während ich am liebsten an den Fußnägeln weiter geknabbert hätte, weil ich mit den Fingernägeln schon „fertig“ war.

Nachdem meine Mutter ihre Ausführungen beendet hatte, nahm Herr Delorme das Schreiben mit der Rechnung an sich und sagte sinngemäß:

„Lieb Fraache, deen Wisch losse se mer mol do, ich kimmer misch drumm. Die solle sisch lieber mo drumm kimmern, dass ihr Feuermelder in Ordnung sinn und nit so än Kappes verzappe. Mache se sich kä Sorsche, do misse se nix bezahle. Die Sach iss erledischt“

Hochdeutsch: Gute Frau, die Rechnung lassen Sie mir mal hier, ich kümmere mich darum. Die sollen sich lieber darum kümmern, dass ihre Feuermelder in Ordnung sind, als so einen Mist zu verzapfen. Machen Sie sich keine Sorgen, da müssen Sie nichts bezahlen. Die Sache ist erledigt.

Mir gab er dann noch mein Sparschwein mit den Worten zurück „Bub, spar mo schee weiter unn künftisch lässte dei Griffel von de Feuermelder. Du willst doch nit, dass sisch dei Mudder widder Sorsche macht?“

Hochdeutsch: Bub, spar mal schön weiter und künftig lässt du die Finger von Feuermeldern. Du willst doch nicht, dass sich Deine Mutter wieder Sorgen machen muss?

Es war ein strenger, aber väterlicher Ton, der seine Wirkung nicht verfehlte. Fortan machte ich einen großen Bogen um Feuermelder. Ich widmete mich dann lieber auf dem Weg zur Schule den Apfelbäumen in fremden Gärten.

Aber die Geschichte, wie ich beim „Apfelklau“  erwischt wurde und der Apfelbaum dummerweise unserem Briefträger gehörte, vielleicht ein anderes Mal. 🙂

Geschätzter Herr Delorme, nicht nur diese Begegnung mit Ihnen in meinen Kindheitstagen, haben bei mir einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, nein, es ist Ihr ganzes Tun und Wirken für die Stadt Mainz und seine Menschen.

Ihnen alles Gute zum 90. Geburtstag und mögen Sie uns allen noch lange erhalten bleiben.

Ihr „kleiner Feuerwehrmann“ Peter

6 Antworten to “Karl Delorme wurde 90 – Herzlichen Glückwunsch!”

  1. Hartmut said

    Schön geschrieben, es wäre doch irgendwie schön wenn jeder einmal eine Geschichte aus seiner Kindheit schreiben würde, macht es doch den Blog menschlicher. 🙂

  2. SchVVarzer Peter said

    Hartmut, danke für das Kompliment! Dein Vorschlag ist keiner der Schlechten, wir warten also auf Deinen „Schwank aus der Jugend“. 🙂

    Mit der Anekdote wollte ich in erster Linie verdeutlichen, wie man Verwaltungsvorgänge und Probleme unkonventionell und unkompliziert lösen kann, bzw. wie dies Karl Delorme seinerzeit tat.

    Heutzutage hast du in den meisten solcher Fälle eine schier endlose Korrespondenz, die sich oft ohne anwaltliche Hilfe gar nicht bewerkstelligen lässt, ohne dass du in eine Falle tappst und schlussendlich wird dann doch noch einen Paragraphen aus dem Hut gezaubert, der Dich dumm aussehen lässt.

    Derzeit haben wir mit der Stadtverwaltung Bad Kreuzgang, in einer Sache die sie eindeutig verschuldet hat, eine nun schon seit Monaten andauernde Auseinandersetzung – Ende nicht in Sicht.

    Die Krönung des Ganzen war, dass ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung wörtlich zu mir sagte „Wir machen keine Fehler“.
    Auf mein Nachfragen „Wollen Sie damit sagen, dass auf Ihrer Behörde wirklich nie Fehler gemacht werden“ entgegnete er mir „Ja, unsere Behörde macht NIEMALS Fehler!“

    Hartmut, da kann man doch nur noch mit dem Kopf schütteln. 😉

  3. Hartmut said

    Natürlich hast Du recht, ich schüttle vehement mit, was Du beabsichtigtest ist mir durchaus bewusst, die Verpackung gefällt mir.

    Die gute alte Zeit, es dürfte also bei Dir in diesem Fall etwa 45/50 Jahre her sein, es war wirklich menschlicher damals. Es war nicht unbedingt alles besser, aber irgendwie konnte man besser miteinander reden.

  4. MC-5 said

    Hartmut,

    Nach dem 2. Weltkrieg wussten/fühlten die Menschen, dass es lange keine Krieg geben würde. Das hat sie entspannter gemacht – die Ängstlichen. Keiner rief mehr nach einem Guru. – Heute haben viele das Gefühl, es käme ihnen die Kontrolle abhanden. Das macht Angst – den Ängstlichen.

    Alles Gute Karl! Viel Knoblauch und Rotwein aus dem Süden für die Durchblutung und das Immunsystem, Bier zur Blutverdünnung, Kakao schwarz in Wasser gerührt für den Nervenaufbau, ein wenig Kaffee gegen Parkinson und ab und zu eine Zigarre!

    MC-5

  5. TillEulenspiegel said

    Peter,

    vielen Dank! Welch eine Laudatio auf einen Herrn, der meiner Ansicht nach die moderne Verkoerperung eines Humanisten ist.
    Mit mehr Menschen wie ihm ginge es uns allen besser.

    Herr Delorme – herzlichen Glueckwunsch!

  6. IsabelRose said

    Eine sehr schöne Gratulation die auch zeigt, das es sich um ein nachhaltiges Erlebnis mit einem guten Menschen handelt, die wir heute oft vergebens suchen in der Bürokratie.

    Danke Peter und an Herrn Delorme „Herzlichen Glückwunsch“.

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